Praxisorientierung ab dem ersten Lehrjahr
Ein Tausendsassa, ein Hans Dampf in allen Gassen, oder doch eher ein «unguided missile»? Auf Christian Calis vom Informatik-Ausbildungszentrum Engadin (IAE) trifft wahrscheinlich alles ein bisschen zu. Klar ist, dass sich das IAE seit seiner Übernahme in einem Transformationsprozess befindet und sich auch die Schulen im Tal vermehrt der digitalen Transformation widmen. Ein Zufall? Mitnichten! Dahinter steckt eine spannende Strategie, welche vor allem auf Kooperation und Nutzung von Synergien setzt.
Das Informatik-Ausbildungszentrum Engadin bildet aus, und zwar Informatik-Lernende. So weit, so gut. Doch was genau und vor allem wie bildet das IAE aus? «In den letzten Jahren haben wir uns wieder auf unseren Kernauftrag zurückbesonnen: Wir bilden als Lehrwerkstatt nah am Markt, kundenorientiert und vor allem praxisorientiert aus» sagt der Leiter Christian Calis. Das funktioniert nur mit einem auf Kooperation ausgelegten Ausbildungskonzept und mit starken Partnerunternehmen. Wichtiger Teil des neuen Ausbildungskonzepts ist die Praxisorientierung ab dem ersten Lehrjahr. Gezielte praktische Sequenzen bereiten die jungen Leute auf ihren Einsatz im Unternehmen in der zweiten Hälfte der Ausbildung vor.
Indem die Lernenden bereits ab dem ersten Lehrjahr an realen Projekten arbeiten, übernehmen sie schon früh Verantwortung. «So lernt man schnell, selbstständig und im Team Lösungen zu entwickeln» erklärt Severin Schmidt, Lernender im 3. Lehrjahr. Ihm gefällt besonders, wie praxisnah die Projekte sind und dass man als Informatiker:in täglich gefordert wird und nie stehenbleiben darf. «Ausserdem macht es mir Freude, anderen bei ihren IT-Problemen zu helfen und gemeinsam Lösungen zu finden» ergänzt Severin.
Bildung für Bildung
Gemeinsame Lösungen erarbeiten die Lernenden des IAE vermehrt auch mit den Volksschulen im Tal, im Rahmen der Initiative «Bildung für Bildung B4B». Das IAE engagiert sich nämlich seit Mai 2024 auch im Bereich der regionalen Anwendungsunterstützung jener Schulen, die bei der regionalen Bildungsinitiative miaScoula von miaEngiadina dabei sind. miaScoula sorgt dafür, dass Schulen aus dem Engadin und den Südtälern kostengünstig eine zeitgemässe digitale Infrastruktur aufbauen und betreiben können.
Die Idee zu B4B ist gemäss Christian Calis aus einer klassischen win-win-Situation entstanden: «Das IAE war auf der Suche nach praxisorientierten Kooperationsmöglichkeiten für ihre Auszubildenden. Die Schulen brauchten Unterstützung bei der Digitalisierung ihrer Prozesse und entsprechende Ausrüstung und Tools.» So sind diverse Engadiner Schulen als Praxispartner dazu gekommen, unter ihnen die Gemeindeschule St. Moritz. Die Schule war auf der Suche nach einem externen Supporter, welcher im täglichen Unterricht unterstützen kann. Den operativen, technischen Support leisten im B4B-Modell weiterhin die bisherigen IT-Partner der Schulen.
Gegenseitiger Mehrwert
Im IAE und dessen Initiative B4B hat die Schule St. Moritz den perfekten Partner gefunden. «Mich hat vor allem überzeugt, dass neben dem Mehrwert für unsere Schule auch das IAE profitiert, indem dass Lernende Praxiserfahrung sammeln können» erzählt die Schulleiterin Barbara Camichel Z’graggen. «Im vergangenen Schuljahr haben wir so zum Beispiel unsere Geräte in INTUNE eingebunden und als Pilotprojekt einige elektronische Wandtafeln angeschafft.» Jeden Donnerstag stehen ein bis zwei Lernende der IAE vor Ort zur Verfügung, um Fragen der Lehrpersonen, der Schulleitung oder der Schülerschaft zu beantworten. Dabei steht immer der Wandel hin zu einer digitalen Schulumgebung im Fokus, nicht der klassische IT-Support.

Nicht nur die Schulleiterin ist davon überzeugt, dass diese Art der Zusammenarbeit Zukunft haben wird und einen grossen Mehrwert darstellt. Auch Severin Schmidt hat bisher nur positive Erfahrungen gemacht: «Ich finde es super, wie die Lehrpersonen von uns technische Aspekte lernen und wir gleichzeitig von ihnen den pädagogischen Umgang. So lernen wir, professionell mit «Kunden» umzugehen, strukturiert zu arbeiten und in Stresssituationen ruhig zu bleiben.»
Pläne für die Zukunft
Das Informatik-Ausbildungszentrum ist auf Expansionskurs. Durch das neue Ausbildungskonzept sind Lernende aus anderen Teilen des Kantons aufs IAE aufmerksam geworden. Auch das Partner-Netzwerk soll auf die Regionen Prättigau und Chur erweitert werden. «Wir möchten die Praxis-Orientierung während der Lehre noch verstärken, durch vermehrte Einsätze bei Verbundspartnern als Unterstützung in ICT-Projekten» lässt Leiter Christian Calis verlauten. Zudem sind neue Ausbildungsgänge in Planung. Ab dem nächsten Schuljahr wird die Einführung der dreijährigen Ausbildung ICT-Fachmann / -Fachfrau geprüft und voraussichtlich ab 2026 könnten auch Gebäudeinformatiker:innen im Engadin ausgebildet werden. Hier sind im Verlauf der nächsten Monate noch Gespräche mit neuen Partnern aus der Elektrobranche geplant.
Es tut sich definitiv was bei der Ausbildung von Informatik-Lernenden im Engadin! …und damit der Nachwuchs nicht ausbleibt, engagiert sich das IAE in schulischen und ausserschulischen Aktivitäten für die Jüngeren, sei es mit Lego Spike Workshops während des Unterrichts oder im Rahmen von ausserschulischen Freizeitaktivitäten wie der Beteiligung an der Bündner MINT-Woche der PH Graubünden oder der Engadiner Intensiv-Woche von miaEngiadina und der Academia Engiadina. Der Kooperationsgedanke ist auch hier in Vordergrund. Immer nach dem Motto: stronger together!
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Erscheint 2 Mal pro Jahr